Heute gibt´s gleich zwei Gastbeiträge - und zufällig beide aus Berlin. Viel zu lesen, viel zu gucken. Darum nicht so viel Gequatsche von mir, sondern gleich zur Sache - Berlin im Doppelpack:
Zunächst zeigt Anne-Marie in der Reihe Stadt-Land-Rad, mit welchen Tücken Radfahrer in Berlin rechnen müssen ...
BERLIN BY BIKE
Radfahren in Berlin kann schon eine Herausforderung sein.
Erstens muss einem das Fahrrad erhalten bleiben, was nicht immer einfach ist. Diebstahl und mutwillige Zerstörung sind die hinderlichen Vorkommnisse, die es zu vermeiden gilt. Seit mein nigelnagelneues Fahrrad, das ich mir vor einigen Jahren gönnte, nur ca. 2 Wochen lang in meinem stolzen Besitz verweilte, habe ich nur noch Fahrgefährte, die sowohl 2 Räder als auch 2 Hände haben... Second Hand nennt sich das im Volksmund ... LOL
Mein als Fidel-Marcel getauftes, pinkes Mädchenfahrrad war das erste verfügbare Exemplar in meiner Größe beim Second-Händler meines Vertrauens. Die Gangschaltung ließ zu wünschen übrig, der Fahrradkorb war schon kurz vorm Durchrosten und das gute Teil fühlte sich an, als wäre es mit Blei versetzt. Wäre jetzt nicht meine erste Wahl gewesen, aber ich war jung und brauchte ein Fahrrad... Einen Vorteil hat das aparte Teilchen zudem: Keiner klaut es! Also, Hürde 1 überwunden...
Hürde 2 sind die Berliner Verkehrsbedingungen, die starke Nerven erfordern.
Fahrradwege sind häufig zugeparkt, fehlen gänzlich oder führen an Bushaltestellen vorbei. Letzteres ist ein Spießrutenlauf, wenn der Bus leider genau das gleiche Tempo hat wie man selbst und man somit alle paar Minuten Slalom auf dem Radweg fahren darf oder sogar komplett zum Stillstand kommt. Nimmt man Nebenstraßen, in der Hoffnung, diese Probleme zu umgehen, dann gibt es andere Herausforderungen. Nebenstraßen haben oft den Nachteil mit Kopfsteinen gepflastert zu sein, wovon ich meist nach 2 Sekunden schon eine (gefühlte) Gehirnerschütterung bekomme. In den östlichen Stadtteilen muss man sogar aufpassen, dass man nicht in den Straßenbahnschienen hängen bleibt.
Hat man dann eine Straße, auf der man gut fahren kann, dann sind wiederum rücksichtslose Autofahrer an der Tagesordnung. Abstand halten? WAS ist DAS? Gucken, ob ein Fahrrad gerade vorbeifährt, während man die Autotür aufmacht? Niemals! Aber auch andere Fahrradfahrer können einem ganz schön auf den Keks gehen. Stellen Sie sich an einer roten Ampel in Berlin immer so weit wie möglich rechts zum Straßenrand hin (falls da nicht gerade ein Auto steht). Bleiben auch nur 2cm Platz zum Rechtsüberholen, dann wird dieser Platz garantiert von einem sogenannten Kampfradler mit Rot/Grün-Schwäche und/oder Missachtung der Ampelfarbe ausgenutzt. Herzkasper garantiert! Radwege werden zudem gerne von Geister(rad)fahrern genutzt, die das Gesicht nach unten gerichtet haben (Smartphone-Sucht), also hier auch: Augen auf und nicht auf das Recht beharren, auf der richtigen Seite zu sein, wenn man nicht bald am Boden liegen möchte.
Hürde 3: Ampeln. Es gibt davon viele. Und sie sind auf Autofahrer ausgerichtet. Eine grüne Welle für Radfahrer gibt es nicht, wird es auch nie geben. Und es steht garantiert eine ganze Gruppe Kindergartenkinder auf der gegenüberliegende Straßenseite, wenn Sie die Rotphase haben, so dass bei Rot herüberfahren, wenn gerade eh weit und breit kein Auto zu sehen ist, aus erzieherischen Gründen nicht in Frage kommt. Es sei denn, man hat keine Angst davor, von den Erzieherinnen gelyncht zu werden. Problemlösung: Vorausschauend fahren. Schnell, wenn die Grünphase in der Ferne noch anhält, langsam wenn die Rotphase noch weilt. Und sich nicht ärgern, wenn's nicht klappt, weil die Wahrscheinlichkeit, dass DAS klappt sowieso gen Null tendiert.
Hürde 4: Menschenmassen.
Berlin ist nun mal eine Großstadt. Wenn man seine Ruhe haben will, muss man aufs Land herausfahren oder ein paar Stellen kennen, wo man gut radfahren kann. Ich werde mich schwer hüten, alle meine Geheimtipps auszuplaudern, aber eine Stelle verrate ich euch gerne: Es ist das Flughafengelände. Nicht IRGENDein Flughafengelände, sondern das neue Fahrradfahrerparadies am Tempelhofer Feld. Um hierher zu finden, überwindet man gerne alle 4 eben genannte Hürden und wäre sogar bereit, noch weitere auf sich zu nehmen!
Vrrrrrrrrrooooooooooooaaaaaaaa aaam... Wo man früher an den Startbahnen gestanden hat, um zuzuschauen wie die Flugzeuge aufsteigen, kann man nun auf der anderen Seite des Zauns am ehemaligen Flughafen Tempelhof immer noch Fluggeräusche hören. Sie sind aber leiser geworden, denn statt Flugzeugen sind es Drachen, die in der Luft weit oben surren, Rollschuhe, Skateboards oder eine Mischung aus alledem, mit vom Wind erzeugten Schallwellen... Keine Ahnung, wie die Teile heißen, die wie Fallschirme mit Rädern drunter aussehen. Sie sind wohl gerade der absolute Renner auf dem Flughafengelände und schwirren wie rollende Engel in Bodennähe umher.
Das Tempelhofer Feld ist meine neue Oase in Berlin. Es ist riesig. Es ist grün. Es ist weitsichtig. Innerhalb einer Großstadt so eine Sicht wie im Umland zu haben, ist einfach traumhaft. Die Autos hört man nur ansatzweise. Eher schallen Kinderstimmen übers Feld oder man hört den Traktor, der die Wiesen mäht, das Gras zu Heuballen bündelt und zu riesigen Trockengrasmauern auftürmt. Ich liebe es, bei schönem Wetter auf einem dieser Heuballen zu liegen und mich mitten in der deutschen Hauptstadt wie auf einer einsamen Insel zu fühlen.
Das Tempelhofer Feld ist zwar kein wirklicher Geheimtipp mehr. An schönen Tagen sind hier sehr viele Leute unterwegs, aber aufgrund der Weitläufigkeit des Felds verteilen sich die Menschenmassen sehr gut. Die Fußgänger türmen sich an Sommertagen auch nur an den Eingängen, wo sich die ausgewiesenen Grillplätze und Hundeauslaufgebiete befinden. Mit dem Fahrrad kommt man dagegen zu den ruhigeren Stellen, an denen man sich wunderbar entspannen, den Turmfalken beim Jagen zusehen und die Haare im Wind wehen lassen kann. Mit einem erholten und friedfertigen Gefühl, so dass man wieder gewappnet ist für die gnadenlosen Ampelschaltungen und die gewohnte Kampfumgebung im Berliner Straßenverkehr, kehrt man dann wieder zum Alltag in der Großstadt zurück.
Anne-Marie
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Ganz lieben Dank an Anne-Marie für diesen Beitrag, der humorvoll- kritische Blick auf ´s Radfahren in Berlin gefällt mir richtig gut!
Und ist eine tolle Ergänzung zu der Serie, in der uns Indre seit letzter Woche mitnimmt auf eine besondere Tour - auch per Fahrrad und auch in Berlin. Aber aus einem ganz anderen Blickwinkel: Nachdem Indre entdeckt hatte, dass David Bowie vor rund 37 Jahren fast täglich dort mit dem Rad unterwegs war, wo sie nun selbst zur Arbeit radelt, begann sie zu recherchieren. Ich finde es beeindruckend und total spannend, wie sie die Tour de Berlin zu einer Tour de Temps macht ...
Und ist eine tolle Ergänzung zu der Serie, in der uns Indre seit letzter Woche mitnimmt auf eine besondere Tour - auch per Fahrrad und auch in Berlin. Aber aus einem ganz anderen Blickwinkel: Nachdem Indre entdeckt hatte, dass David Bowie vor rund 37 Jahren fast täglich dort mit dem Rad unterwegs war, wo sie nun selbst zur Arbeit radelt, begann sie zu recherchieren. Ich finde es beeindruckend und total spannend, wie sie die Tour de Berlin zu einer Tour de Temps macht ...
Letze Woche gab es hier den ersten Teil auf Bowies Spuren, heute geht es bei Indre um einen Vergnügungstempel, der zur Wohnmaschine wurde.
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Habt ihr auch Lust, eure Radelheimat hier bei Stadt-Land-Rad vorzustellen? Eure Lieblingsstrecke, Ausflugsziele oder den täglichen Weg zum Job oder was auch immer - zeigt uns, wo ihr so rumradelt! Und vielleicht finden sich ja noch mehr Berlin-Blogger, die mitmachen möchten. Ich find's nämlich superinteressant, die gleichen Radwege mit ganz unterschiedlichen Ansätzen vorzustellen.
Alle Infos zu dieser Mitmachsache findet ihr hier
Alle Infos zu dieser Mitmachsache findet ihr hier
eine Mitmachsache für alle, die gern Rad fahren |
Wenn ihr dabeisein wollt, schickt mir einfach ne Mail: diefahrradfrau@gmail.com
Bis bald!
diefahrradfrau
Lieben Dank, Christiane, fürs Veröffentlichen meiner Gedankenkritzeleien... LOL
AntwortenLöschenLG, Anne-Marie
Ich musste ja sehr schmunzeln über Anne-Marie. Ich fahre ja auch täglich mindestens 25 km durch mein geliebtes Berlin, kann damit auch sehr viel von dem bestätigen was sie da erzählt. Oft fahre ich auch im Dunkeln und da ärger ich mich auch immer wieder ganz besonders über diese Radfahrer, die ohne Licht auf der "falschen" Seite mir entgegenkommen.
AntwortenLöschenUnd Geheimtipps gibt es einige in und um Berlin. Manche findet man inzwischen auf meinem Blog, Aber alle werde ich auch nicht verraten ☺
Radelnde Grüße aus Berlin,
Andrea
Ohja, letztens auch wieder, an der Ecke einer Baustelle mit Riesenbagger, Straßenverengung und super Unübersichtlichkeit, weil direkt an einer Kreuzung, gucke ich in zig Richtungen, nur nicht sofort geradeaus und stoße fast mit einem anderen Rad zusammen... denn wer erwartet DA einen Geisterfahrradfahrer... Immerhin war es noch hell!!!! Doah...
LöschenLiebe Grüße, Anne-Marie
Ein klasse Beitrag von Anne-Marie ..ich kenne Berlin ganz gut, aber nur per Bahn oder per pedes .. so hat man plötzlich einen ganz anderen Blick bekommen.
AntwortenLöschenGruß vonner Grete
Dankeschön, Grete! Aber wie gesagt: ehemaliges Flughafengelände ist auf jeden Fall zu empfehlen. Ich war da auch am 3. Oktober, wo suuuuuuuper viel los war, so richtig mit ... wie nennt man die Dinger... sehen aus wie Luftmatratzen an einer Schnur... auf jeden Fall war da so ein Wettbewerb und tierisch viel los, aber trotzdem hatte ich nicht das Gefühl, in einem beengten Raum zu sein, wie man das sonst auf der Straße oder auf einem "Happening" schnell mal haben kann. Man hat trotzdem immer noch genug Platz zum Fahren!
LöschenLiebe Grüße, Anne-Marie
Hallöchen! Es heißt ja immer, dass Berlin und Wien bzw. auch die Berliner und die Wiener Ähnlichkeit miteinander haben - ich kann jedenfalls bestätibgen, dass es Ähnlichkeiten im Radverkehr gibt. Das ist auch in meiner Hauptstadt, die 40 Jahre lang mein Wohnort war und immer noch mein Arbeitsort ist, so gefährlich und schwierig. Mein sportlicher Bruder ist übrigens mal über eine Autotür drüber"gesegelflogen", die unerwartet und ohne Rücksicht aufgerissen wurde. Sonst haben wir hier aber leider eher keine Kombination aus Rad- und Flug-Verkehr - das Wienerische Radfahr-Paradies ist die Donauinsel, ehemaliges Überschwemmungsgebiet und nun Lieblings-Freizeit-Treff für die Sportlichen und Naturliebhabenden unter den Wien-Bewohnern...
AntwortenLöschenEinen schönen Abend und eine feine restliche Woche wünsch ich euch noch, liebe Christiane und liebe Anne-Marie!
Herzlichst, die Traude
Upsie, ja... segelfliegen ist ein gutes Wort dafür!!! Ich kriege auch immer einen halben Herzstillstand, wenn ich das Geräusch eines sich öffenenden Autotürs höre... weil man nie weiß, ob derjenige auch dran denkt, dass es auch Radfahrer im Straßenverkehr gibt... Ich hatte in Berlin zum Glück nur einmal eine schlimme Begegnung, so mit Bremsen und übers Lenkrad fliegen. Und das war, weil Fußgänger plötzlich auf dem Radweg erschienen, an einer Stelle, wo eigentlich weit und breit kein Fußgängerweg war (Frankfurter Allee). Die kamen hinter einem Auto von der Straßenseite, also quasi unsichtbar für mich...
LöschenLiebe Grüße, Anne-Marie